Warum linke Parteien Krypto lieben sollten

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Krypto hat bei den linken Parteien zu Unrecht einen schlechten Ruf. Viel zu wenige erkennen die Chancen, die Krypto für einen Ausweg aus der Sackgasse von Plattform- Finanz- und Überwachungskapitalismus sowie globaler Ungleichheit bietet. Wer hat beispielsweise schon einmal darüber nachgedacht, warum die zwanzig Länder mit den weltweit höchsten Nutzungsquoten von Krypto bis auf die USA allesamt aus dem globalen Süden stammen? Oder darüber, warum in den USA die Nutzungsquote von Krypto unter der schwarzen Bevölkerung doppelt so hoch ist wie unter der weißen? Regulatoren stehen weltweit an einem Scheideweg: Fördern oder Eindämmen.

Virtuelle Währungen wie Bitcoin und Co. haben einen schlechten Ruf. Sie gelten als Eldorado für Spekulanten, Betrüger und Kriminelle, sie gelten als wirtschaftslibertäres Projekt und sie gelten als klimaschädigende Energiefresser. Spätestens als Facebook 2019 mit Libra ankündigte, nichtstaatliches Krypto-Geld in den Mainstream einführen zu wollen, sah Politik und Zivilgesellschaft darüber hinaus Finanzstabilität, Verbraucherschutz und die staatliche monetäre Souveränität bedroht.

Die Verwerfungen nach der Zinswende im 1. Halbjahr 2022 scheint den Krypto Skeptikern recht zu geben. Der Milliarden-Zusammenbruch des angeblich algorithmisch sicher an den Dollar gekoppelten wertstabilen Stablecoins Terra und seine virtuelle Reservewährung Luna wird in der Branche als Lehmann-Moment der Krypto-Branche bezeichnet. Es folgte ein dramatischer Einbruch der Werte aller Kryptowährungen, Bank-Runs und Insolvenzen beispielsweise bei Celsius, einer Lending-Plattform oder Three Arrows Capital, einem der größten Krypto-Hedgefonds.

Aber ist die Krypto-Branche wirklich so schlecht? Eine ähnliche Goldrausch Stimmung hat es auch in der Frühphase des Internets gegeben mit ähnlichen Vorwürfen und ähnlichen Krisen. Dennoch: einige Geschäftsmodelle selbst aus der Anfangsphase des Internets wie etwa Internet-Suche, Online-Handel oder Internet-Kleinanzeigen sind aus der heutigen Welt gar nicht wegzudenken.

Da ist zum Beispiel das Thema internationaler Zahlungsverkehr. Man kann heute in Echtzeit mit Menschen aus aller Welt zu geringsten Kosten sogar über Video kommunizieren, aber der Echtzeit Versand von kleinen Geldsummen ist nicht möglich. Wenn überhaupt dauert es Tage und ist mit enormen Kosten verbunden. Krypto löst dieses Problem schon heute und wird gerade von Menschen aus Südamerika, Afrika, oder Asien mehr genutzt als das im deutschen Diskurs wahrgenommen wird. Die 20 Länder mit den weltweit höchsten Nutzungsquoten von Krypto sind bis auf die USA allesamt aus dem globalen Süden. In den USA ist die Nutzungsquote von Krypto unter der schwarzen Bevölkerung doppelt so hoch wie unter der weißen.

Dieser Beitrag will in dieser Debatte Position beziehen und eine Stimme sein, die für Chancen von Krypto argumentiert. Dieser Blickwinkel kommt in der öffentlichen Debatte zu kurz. Es ist außerordentlich schade, dass insbesondere im linksliberalen Spektrum Krypto häufig als Problem gesehen wird, dem durch konsequente Regulierung der Kampf angesagt werden muß. Viel zu wenige treten für die Chancen von Krypto ein: Abbau von globaler Ungleichheit, Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts durch Peer-to Peer Organisationen und Commons, Ausweg aus den immer rigider werdenden Strukturen und der Sackgasse von Plattform- Finanz- und Überwachungskapitalismus. Dem Autor ist völlig klar, dass es bei Krypto berechtigte Sorgen gibt – auch diese werden zu Wort kommen.

Die Argumentation benennt zunächst die Hauptchancen von Krypto: internationaler, effizienter Echtzeit-Zahlungsverkehr, DeFi als Alternative zur Finanzwirtschaft sowie Web3 als Alternative zum Plattformkapitalismus des jetzigen Internets. Sie entlarvt die häufig genannten kritischen Erzählungen über Krypto: Sie erklärt, warum sich Kriminelle nicht hinter Bitcoin verstecken können, warum Krypto der linken Sache entgegenkommt, warum Krypto als Investition und nicht als Schneeballsystem bezeichnet werden sollte und warum Krypto sogar Chancen für den Ausbau erneuerbaren Energien eröffnet. Der Beitrag schliesst mit dem Appell an Öffentlichkeit und Politik, Krypto als Chance und nicht als Problem zu begreifen und gesetzgeberisch zu begleiten.

1. Die Zukunftschancen von Krypto

1.1 Kryptowährungen lösen das Zahlungsverkehrsproblem.

1871 hat Western Union den telegrafischen Geldtransfer erfunden. Der Transfer dauerte damals 2-4 Tage und kostete 3% der überwiesenen Summe. Wenn heute Wanderarbeiter, die oft unter schrecklichen Bedingungen auf Minen oder auf dem Bau arbeiten, Geld an ihre Familien in ihrem Heimatland schicken wollen, müssen sie mehr als damals, zwischen 10-15%, also in etwa einen kompletten Monatslohn an Banken abgeben und die Überweisung dauert mindestens genau so lange wie damals.

Wir reden hier von einem ungeheuer großen Problem: das Volumen von Überweisungen in die Heimatländer beträgt weltweit ca 500 Milliarden Dollar jährlich. Ca. 1 Milliarde Menschen sind davon betroffen.

Der internationale Zahlungsverkehr arbeitet auch deshalb bis heute mit „steinzeitlichen“ Methoden und manuellen Provisorien, weil er zwischen alle Stühle fällt: Geld untersteht nationalstaatlicher oder im Fall von Europa supranationaler Aufsicht. Kein Land oder kein Zusammenschluss von Ländern und kein Unternehmen ist für den Zahlungsverkehr für die ganze Welt zuständig. Kryptowährungen lösen dieses Problem aber schon heute.

Auch im nationalen Kontext ist der aktuelle status quo des Zahlungsverkehrs unbefriedigend. Es gibt kein natives Echtzeit-System fürs Internet und die Gebühren und Gesamtkosten sind enorm hoch. Die beliebtesten Zahlungsmethoden Kauf auf Rechnung, PayPal und Kreditkarte kosten die Händler ca. 5% oder mehr des Warenumsatzes. Bei PayPal und Kreditkarte die Hälfte in direkten Gebühren. Während die Umsatzrenditen von PayPal, Visa oder Mastercard mit 20% – 40% enorm hoch sind und sogar noch steigen, kämpfen viele Online Händler strukturell am Existenzminimum. Sie erwirtschaften im deutschen Schnitt eine Umsatzrendite von nur 2,4% im europäischen Schnitt sogar nur 1,4%. In einer „unheiligen“ Allianz von Zahlungsverkehrsunternehmen und Konsumenten, die auf den ersten Blick die bequeme Abwicklung insbesondere über PayPal schätzen, extrahieren Zahlungsverkehrsunternehmen enorme Renten aus dem System.

Abhilfe scheint kurz und mittelfristig nicht in Sicht:

Marktliche Lösungen etwa das deutsche PayDirect oder die Europäische Payment Initiative (EPI) setzen sich nicht durch und scheinen zu scheitern. Die nach langen Kämpfen durchgesetzte regulatorische Deckelung von Interbank-Raten auf 0,2% für Debit Karten und 0,3% für Kreditkarten führt zu keiner Kostensenkung bei Händlern und Kunden, weil es im System zu viele Stellhebel gibt, mit denen die Unternehmen sich ihre Margen wiedergeholt haben.

Eventuell ist eine staatliche Infrastrukturlösung für den Zahlungsverkehr eine Lösung, analog UPI in Indien, Pix in Brasilien oder dem digitalen Renimbi in China. Allerdings gibt es die Gefahr, dass der Staat in die Privatsphäre seiner Bürger eindringt und schlimmer auf diesem Weg durch staatliche Zwangsmaßnahmen das finanzielle Verhalten kontrolliert. China jedenfalls hat unverholen das Ziel über den digitalen Renimbi das Verhalten seiner Bürger zu kontrollieren, ähnlich wie die Bewegungsfreiheit über die Corona-Warn-App eingeschränkt wurde und wird.

Parallel und alternativ ist aber auch der nationale Zahlungsverkehr über Kryptowährungen eine Lösung. Strukturell ist neben den Monopolrenten ein Teil der hohen Kosten im Zahlungsverkehr durch das Bündel an Dienstleistungen erklärbar, die mit herkömmlichem Geld einhergeht: Betrugsbekämpfung, Compliance, Umkehrbarkeit, Interoperabilität. Es ist aber nicht so, beispielsweise für Kleinsttransfers für Einkäufe oder Spenden dass das volle Paket aller Zusatzdienstleistungen für jeden Fall notwendig ist. Es ist wirklich nicht einzusehen beispielsweise für Kleinstspenden, dass so viel Geld bei Paypal hängen bleibt. Debundling hat in vielen Branchen für massive Kostensenkung und bessere Dienste geführt beispielsweise für die aus dem Zeitungsgeschäft herausgelösten Themen: Jobanzeigen, Kontaktanzeigen, Kleinanzeigen. Debundling in unserem Geldsystem sollte kein Taboo sein.

1.2. DeFi (Decentralised Finance) – eine Alternative zu unserem traditionellen Finanzsystem, die dezentrale open-source Protokolle an die Stelle zentraler Vermittler wie Banken und Makler setzt.

Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren viele Industrien völlig auf den Kopf gestellt: zum Beispiel Amazon den Handel, Spotify die Musikbranche oder LinkedIn die Jobvermittlung. Die Veränderungen in der Finanzindustrie dagegen betreffen bisher vor allen Dingen nur den Zugang zum Kunden: z.B. mobile Banking. Die dahinter liegenden Kostenstrukturen und Wertschöpfungsketten sind immer noch die alten: deshalb sieht man immer noch allerorten Ineffizienz, fehlende Interoperabilität, Agency Konflikte und Extraktion von Überrenditen. Dass der internationale Zahlungsverkehr wie oben beschrieben immer noch nicht viel über das Niveau von 1871 hinausgekommen ist, ist symptomatisch für die ganze Industrie. Die Spreizung zwischen Kredit- und Anlagezins als weiteres Beispiel sind viel höher als sie sein könnten. Beim Wertpapierhandel verdienen eine ganze Phalanx von Zwischenhändlern wie Broker, Market-Maker, Clearingstellen, Hedgefonds auf Kosten der Kunden.

Das Beharrungsvermögen liegt zum Teil an den hohen regulatorischen Hürden und der Vereinnahmung von Regierungsbehörden durch die etablierten Unternehmen. Fintechs waren bisher nur in der Lage, der Bankindustrie ein Facelift der Kundenschnittstelle zu verpassen.

DeFi (Decentralised Finance) ist eine Alternative zu unserem traditionellen Finanzsystem, die dezentrale open-source Protokolle an die Stelle zentraler Vermittler wie Banken und Makler setzt.

Jeder kann sich ohne weitere Hürden im Internet ein „ewallet“, ein elektronisches Portemonnaie herunterladen und mit anderen in Peer to Peer Austausch treten. Grundlegende Finanz-Transaktionen wie Bezahlen, Geld leihen oder Geld verleihen sowie Handeln werden -ohne zentrale Vermittler über transparente, öffentliche Blockchains und „smart contracts“ in Echtzeit durchgeführt. Der Geldverleih wird bisher durch die Hinterlegung von Kryptowährungen abgesichert, die automatisch an den Verleiher abgeführt wird, sollte der Kreditnehmer, den im ‚smart contract‘ hinterlegten Bedingungen nicht nachkommen. Der Handel erfolgt meist über sogenannte Liquidity Pools, in dem die Teilnehmer ihr Geld parken. Die Handelspreise werden je nach Verfügbarkeit in den Pools über in „smart contracts“ hinterlegte Preisformeln automatisiert berechnet.

Die Softwarentwicklung wird häufig über Decentral Autonomous Organisations (DAOs) koordiniert. DAOs sind dezentrale Zusammenschlüsse, die Entscheidungen über die Ausgabe von Government-Tokens koordinieren, die zu basisdemokratischen Abstimmungen berechtigt. Die Finanzierung erfolgt auf der Blockchain-Ebene durch Gebühren, die an die Teilnehmer des Konsensmechanismus abgeführt werden, insbesondere die sogenannten ‚Miner‘. Auf der „Smart Contract“ Ebene fliessen die Softwarenutzungsgebühren an die Token Inhaber des DAOs, sowie diejenigen, die für die Durchführung der Protokolle notwendige Liquidität zur Verfügung stellen, diesen Vorgang nennt man im Fachjargon „staking“

Neue Anwendungen können mit geringstem Aufwand nahtlos zusammengesetzt und neu komponiert werden, in etwa wie Software as a Service (SaaS) Module in der Softwarebranche. Alles ist nahtlos mit allem verknüpft, keine zentralisierten Silos mit hohen regulatorischen und finanziellen Einstiegshürden für neue Anbieter. Die Nutzer brauchen nur einen Internetzugang, und wie im traditionellen Finanzsystem auch Geld, sonst nichts. Kein Wunder, dass DeFi rasant wächst. Quasi aus dem Nichts Ende 2020 ist der Wert von weltweit in „smart contracts“ gebundenem Geld bis Ende 2021 auf 95,2 Milliarden Dollar angestiegen.

DeFi hat insgesamt das Potenzial, das Finanzsystem um Größenordnungen besser zu machen:

  • effizienter und schneller: durch die hohe Automatierung mit smart-contracts und durch Wegfall von vielen Vorgängen, die in einer Welt ohne Zwischenhändler nicht weiter benötigt werden.
  • transparenter: durch die Grundarchitektur mit öffentlichen Blockchains- jeder ob Nutzer, Medien, Forscher, Aufsichtsbehörde kann sich in Echtzeit ein Bild über Tatsachen, Chancen und Risiken machen
  • sicherer: Die Blockchain Grundarchitektur ist bisher nie kompromittiert worden (bei smart contracts gab es jedoch diverse Sicherheitslücken und hacks)
  • zugänglicher: weltweit kann sich jeder durch freie Software Zugang verschaffen.
  • offener: Die meisten Anwendungen sind open source code ohne Copy-Right Hürden und können von jedem weiter verbessert werden
  • interoperabler: da alles auf der gleichen Grundarchitektur aufbaut, ist alles mit allem kombinierbar.

Ganz zu schweigen davon, dass Defi mit einem Schlag die vielen massiven strukturellen Problemen der Finanzbranche lösen könnte, die zuletzt in der großen Finanzkrise einer breiten Öffentlichkeit sichtbar geworden sind.

Um dieses hohe Ziel zu erreichen ist noch eine gehörige Wegstrecke zu bewältigen:

Bisher wird DeFi nur im virtuellen Raum genutzt für virtuelle Produkte und Dienstleistungen, zB NFTs und ist noch weit weg von der Realwirtschaft. In näherer Zukunft sollte sich die Krypto-Community um Verbesserungen bei Nutzerfreundlichkeit, Skalierbarkeit, Interoperabilität, Privatheit und Identität (Quelle) kümmern. Das Thema Identität ist beispielsweise eine Voraussetzung für die Ausweitung des Kreditgeschäfts auf unbesicherte Kredite. In einer automatisierten Welt braucht es Mechanismen, die die Vertrauenswürdigkeit des Kreditnehmers abbilden könne. Vitalik Buterin, der Mitgründer der Ethereum Blockchain hat im Frühjahr 2022 in diesem Zusammenhang das Konzept von soulbound tokens, einer Art Krypto-Lebenslauf vorgeschlagen.

Es ist ein ermutigendes Zeichen, dass die bisherigen Verwerfungen des Bärenmarkts in 2022 seit der Zinswende bisher nur sogenannte Centralised Finance Projekte (CeFi) und nicht Decentralised Finance (DeFi) getroffen haben. Es ist darüberhinaus ermutigend, dass sich die kurz vor der Verabschiedung stehende Regulierung für die Krypto-Branche MiCA zu Recht auf CeFi konzentriert und DeFi ausklammert und der Branche Zeit gibt, sich weiter in dem bestehendem Rahmen und Gesetzen zu entfalten.

Parallel und alternativ ist aber auch der nationale Zahlungsverkehr über Kryptowährungen eine Lösung. Strukturell ist neben den Monopolrenten ein Teil der hohen Kosten im Zahlungsverkehr durch das Bündel an Dienstleistungen erklärbar, die mit herkömmlichem Geld einhergeht: Betrugsbekämpfung, Compliance, Umkehrbarkeit, Interoperabilität. Es ist aber nicht so, beispielsweise für Kleinsttransfers für Einkäufe oder Spenden dass das volle Paket aller Zusatzdienstleistungen für jeden Fall notwendig ist. Es ist wirklich nicht einzusehen beispielsweise für Kleinstspenden, dass so viel Geld bei Paypal hängen bleibt. Debundling hat in vielen Branchen für massive Kostensenkung und bessere Dienste geführt beispielsweise für die aus dem Zeitungsgeschäft herausgelösten Themen: Jobanzeigen, Kontaktanzeigen, Kleinanzeigen. Debundling in unserem Geldsystem sollte kein Taboo sein.

1.3. Web3 – eine dezentralen Vision für das Internet, die ohne Datenhandel für Werbung als Leitmotiv und ohne die großen Plattformkonzerne auskommt.

Blockchain-Enthusiasten sehen das Potenzial von Krypto noch viel weitergehender als auf die Finanzindustrie beschränkt. Das Internet wird heute vom Daten-Imperativ beherrscht. Große Plattformunternehmen richten ihre Angebote vor allem danach aus, dass sie möglichst viele Nutzer- und Nutzungsdaten erheben können, um diese zum Beispiel möglichst hochpreisig an Werbekunden weiterverkaufen zu können. Nutzer tragen Wert bei in Form von Texten, Fotos, Videos, Musik oder schlicht ihren Daten. Der monetäre Gegenwert wird aber von den Plattformunternehmen mehr oder weniger vollständig vereinnahmt. Das Internet steckt in einer Sackgasse: manche bezeichnen sie als Plattformkapitalismus oder auch als Überwachungskapitalismus.

Web3 setzt an den beiden zentralen Problemen dieser Sackgasse an: Privatheit und Datensouveränität der Menschen und eindeutige digitale Autorenschaft und Eigentum, die über digitale Verträgen und digitale Bezahlung gehandelt werden können, ohne Mittelsfirmen. In Kurzform: Web 1 hat in den 90er Jahren Informationszugang demokratisiert, Web 2 in den 2000er Publishing. Web 3 verspricht nun durch kryptographisch ermöglichte Digitalisierung Eigentum zu demokratisieren. Autoren, Kreative – jeder kann selbst völlig frei über das eigene Werk entscheiden und wenn er oder sie mag, damit Geld verdienen.

Beispiele für diese neue Web3 Welt sind:

  • Non Fungible Token (NFTs), d.h. eindeutig abgebildete Eigentumsrechten an Kunst, Fotos, Code, Musik, Text, Spielobjekten, Anmeldedaten, Verwaltungsrechte, Zugangspässe und was immer sich die Leute sonst noch ausdenken.
  • Identitäten ohne Zentralorganisation, die auf einer Ethereum Adresse aufbauen.
  • Authentifizierung über sogenannte kryptographisch abgebildete Zero-Knowldege Proofs, d.h. ohne dass persönliche Daten übertragen werden müssen. Diese Techniken ermöglichen zum Beispiel auch bei sozialen Netzen das Problem von Fake accounts, Trolls und Sybil Attacken zu lösen, bei denen einzelne Menschen einem System vortäuschen, dass sie mehrere Personen sind, um ihren Einfluss zu vergrößern.

Die öffentliche Diskussion konzentriert sich bei den Web3 Entwicklungen leider auf die absurden Übertreibungen der NFT Euphorie, statt an der konkreter werdenden Vision für ein Internet ohne Daten-Imperativ, ohne Plattform-Monopolisten, dafür aber sehr viel größerer Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen die beitragen und Menschen die Angebote nutzen wollen.

2. Die kritischen Krypto-Narrative entlarven:

2.1. Warum sich Kriminelle nicht hinter Bitcoin verstecken können.

Kriminelle sind häufig frühe Nutzer von neuen Technologien. Es überrascht deshalb nicht, dass Kriminelle von Bitcoin nach deren Neuentwicklung angezogen wurden. Berühmt geworden ist beispielsweise die Silk Road, ein virtueller Schwarzmarkt, der von 2011-2013 von Ross Ulbricht unter dem Pseudonym Dread Pirate Roberts insbesondere für den Drogenhandel betrieben wurde, der ausschließlich Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptiert hat.

Dread Pirate Roberts und diverse korrupte Beamte aus dem amerikanischen Staatsapparat haben damals völlig unterschätzt, dass Bitcoin nicht anonym, sondern pseudonym betrieben wird. Sobald die Identität des Pseudonyms aufgedeckt wird, ist Bitcoin als öffentliche, unveränderbare, permanente, verlässliche und dezentral abgesicherte Kette unbestechlicher als jede zentral gelagerte Akte. Damals wurde dadurch nicht nur Ross Ulbricht, der Haupttäter zu lebenslanger Haft hieb und stichfest verurteilt, sondern es sind diverse korrupte Beamte wegen Erpressung, Bereicherung und Doppelagentschaft gleich mit aufgeflogen. Katie Haun, die damals in dieser Sache für das amerikanische Justizministerium die Ermittlungen geleitet hat, geht so weit, dass sie ohne Blockchain die Aufdeckung der korrupten Beamten für unmöglich gehalten hätte, weil diese 30 Jahre lang professionell geschulte Spurenverwischer gewesen seien.

Manchmal wird die Meinung vertreten, dass Internetkriminalität im engeren Sinne wie z.B. Cyber- oder Ransomware-attacken durch Kryptowährungen bedingt seien. Das gab es allerdings auch schon vor der Erfindung von Bitcoin und wurde früher häufig und Dollar beglichen. Außerdem ist das mit Abstand geeignetste Gegenmittel Investitionen in deutlich höhere Cybersicherheit und nicht Abschaffung von Kryptowährungen.

Insgesamt wird von höchster europäischer Stelle, der Europol in einem Bericht 2022 als Schlusssatz die Bedeutung von Krypto für Kriminalität deutlich relativiert:

„Kryptowährungen sind für Kriminelle nach wie vor attraktiv, vor allem wegen ihrer Pseudo Anonymität und der Leichtigkeit und Geschwindigkeit, mit der Gelder in die ganze Welt geschickt werden können. Allerdings scheint die Verwendung von Kryptowährungen für illegale Aktivitäten nur einen kleinen Teil der gesamten Kryptowährungswirtschaft aus Kryptowährungswirtschaft zu machen, und er scheint vergleichsweise kleiner zu sein als der Betrag an illegaler Gelder im traditionellen Finanzwesen“

Europol

In den USA stellt man ähnliches fest.

Eine verwandte Kritik im internationalen Kontext ist, dass Kryptowährungen genutzt würden, um staatliche Sanktionen zu umgehen. Auch dieser Vorwurf ist zweischneidig. Im Falle von Sanktionen gegen den Iran beispielsweise waren die USA und Europa durchaus nicht gleicher Meinung, da aber der offizielle internationale Geldverkehr sehr stark von den USA kontrolliert wird, musste man in Europa klein beigeben. Oder schauen wir das Beispiel der „guten“ Russen, die aus Missbilligung des Ukrainekriegs (oder aus Furcht in die Armee eingezogen zu werden) aus Russland ausgereist sind. Diese Menschen kamen aufgrund der Sanktionen nicht an ihr Geld.

Ein weiteres Beispiel ist PayPal oder American Express die Unternehmungen oder Initiativen, die Ihnen nicht passen, die Möglichkeit Spenden zu beziehen unterbinden.

Gerade im internationalen Kontext gibt es oft kein einhelliges gut und böse, aber mächtige Akteuer, die dieses Urteil für sich in Anspruch nehmen – diese Urteilsmacht aber bei Transfers über Kryptowährungen verlieren würden.

2.2 Warum Krypto eher links als rechts ist.

Entscheidenden Rückenwind bekam das Bitcoin- Projekt von Anhängern des politischen Wirtschafts-Libertarismus, die in Bitcoin als weit mehr als die ursprünglich konzipierte Peer to Peer Zahlungsmethode sahen. Friedrich von Hayek hatte beispielsweise 1976 die These aufgestellt, dass das beste Geldsystem eines sei, das sich im privaten Wettbewerb ausbilde. Ein immer wiederkehrendes Argument dieser Denkschule ist, dass eine zentrale Steuerung durch Geldmenge und Zinsen zur Begrenzung von Inflation auf Dauer nicht funktionieren könne. Zu groß sei die Versuchung, Geld zu drucken. Fiat Währungen, d.h. ungedeckte staatliche Währungen seien chronisch anfällig für Inflation und der damit verbundenen schleichenden Enteignung der Bürger. Würde man Wettbewerb mit privatem Geld zulassen würde sich über Marktmechanismen ein stabileres Geld herausbilden: das Optimum zwischen Inflation -gut für Schuldner und Deflation-gut für Gläubiger. Man muss allerdings sagen, dass selbst Milton Friedman, ein sehr bekannter Vertreter des Libertarismus ein Skeptiker der Hayekschen Theorien war.

Viele Bitcoin Anhänger haben nicht den Anspruch, Geld in all seinen Funktionen, Zahlungsmittel, Recheneinheit sowie Wertspeicher in Anspruch nehmen zu wollen. Sie setzen vor allen Dingen auf die Rolle des Werterhalt. Sie sehen in Bitcoin durch die algorithmisch festgelegte Mengenbegrenzung eine Hartwährung. Bitcoin erfülle als „digitales Gold“ besser als Fiat Währungen und besser noch als physisches Gold langfristig am besten die Rolle des Werterhalts.

Häufig wird in der Diskussion über die politische Grundausrichtung übersehen, dass es innerhalb des Libertarimus auch eine linke progressive, gesellschaftspolitische Strömung gibt, in deren Tradition Kryptowährungen zu sehen sind: insbesondere von der Cypherpunks-Bewegung, der beispielsweise auch Julian Assange angehört sowie der Digital Commons Bewegung.

Krypto als Alternative zum Überwachungsstaat und zum Überwachungskapitalismus

Seit der Frühphase des Internets wurde Kryptographie als zentrales Mittel gesehen, Privatheit und Datenschutz als Voraussetzung für eine offene Gesellschaft im digitalen Zeitalter zu gewährleisten. Zum Beispiel im Cypherpunk Manifest oder in Julian Assange Buch von 2012 Freedom and the Future of the Internet oder den Veröffentlichungen von Edward Snowden.

Mit einem ähnlichen Anliegen hat sich in der Vergangenheit auch Peter Thiel, Gründer von PayPal und Erstinvestor bei Facebook und ein Libertarismus Aktivist geäußert: Er befürwortet Kryptowährungen als alternative Zukunftsvision zur Dystopie eines totalitären Überwachungsstaates. Er weist als Stützung dieser These daraufhin, dass autoritäre Staaten wie China KI zu ihrer zentralen Lieblingstechnologie erkoren haben und massiv gegen Kryptowährungen vorgehen.

Krypto ist dezentral, Künstliche Intelligemz (KI) ist zentralisiert. Oder, wenn Sie es ideologischer formulieren wollen: Krypto ist libertär und KI ist kommunistisch

Peter Thiel

Parallel zur Zunahme von staatlicher Überwachung in Ost aber auch West ist die Sammlung großer Datenmengen ein entscheidendes Kennzeichen der Plattformökonomie in der Privatwirtschaft. Marc Andreessen, der Entwickler des ersten Internet-Browsers hat diese Entwicklung einmal mit dem aus seiner Sicht größten Geburtsfehlers des Internets begründet: Dem Fehlen einer nativen Bezahlmöglichkeit im Internet. Das hat viele frühen Unternehmen dazu geführt ihr Geschäftsmodell auf die Platzierung von Werbung zu gründen. Mit immer größeren Datenmengen werden für eine bestmögliche Platzierung von Werbung Prognosen von Verhalten der Menschen erstellt, diese Prognosen gehandelt und letztlich die Daten missbraucht, um das Verhaltens von Menschen im großen Stil zu manipulieren und zu kontrollieren. Shoshana Zuboff hat in ihrem Buch, ‚Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus‘ diese Entwicklung im Detail beschrieben. Krypto bietet wie wir oben gesehen haben mit web3 eine systemische Alternative an.

Digital Commons

Während die Bitcoin Anhängerschaft häufig mit einer individualistischen libertären, bewahrenden Kultur in Verbindung gebracht wird, spielt bei Ethereum der zweitgrößten Kryptowährung., das gemeinschaftlich organisierte öffentliche Gut und dessen Weiterentwicklung, die Ethereum Infrastruktur, eine absolut zentrale Rolle.

Die Ethereum Blockchain kann man als einen zentralen Weltcomputer bezeichnen auf dem digitale Eigentumsrechte verwaltet und beliebige Vertraege („smart contracts“) geschlossen werden können. Für die Weiterentwicklung ist Skalierbarkeit, geringe Transaktionskosten, Geschwindigkeit und höchste Sicherheit zentral. Die Ethereum community und ihr Gründer Vitalik Buterin schaffen es bisher, diese Entwicklung außerhalb des Markt-Staat Kontextes als Commons voranzutreiben. Zentral dafür sind 2 Stiftungen die Ethereum Foundation und Gitcoin. Besonders hervorzuheben sind Innovationen in der Governance, der zentralen Herausforderung für basisdemokratische Órganisationen: z.B.

Quadratic Funding sucht den „sweet spot“ zwischen dem Übergewicht von Geldeinfluss von wenigen Menschen auf der einen Seite und das Übergewicht von nur wenig Interessierten bei ‚one person one vote‘ Abstimmungen. Ein Projekt, bei dem zum Beispiel 10.000 Euro von 100 Menschen unterstützt wird, wird wesentlich höher priorisiert als eines, das nur von 2 Personen unterstützt wird.

Retroactive Public Goods Funding Die Nützlichkeit einer Neuentwicklung lässt sich im Nachhinein immer wesentlich besser beurteilen als Vorab. In der Privatwirtschaft ist die Venture Capital Finanzierung der Königsweg, mit diesem Dilemma umzugehen. Die meisten Ideen gehen schief, einige wenige lohnen sich fürstlich. Die Ethereum community versucht den VC Gedanken auf die Bereitstellung öffentlicher Güter zu übertragen

DAO Governance Abstimmungen jenseits von Coin Voting in Decentralised Autonomous Organisations (DAOs)

Häufig organisieren sich Kryptounternehmungen als DAOs und verteilen Tokens, die die Teilnehmer an wirtschaftlichen Erfolgen und Entscheidungen beteiligen. Dieses Verfahren leidet aber an typischen Problemen, die man beispielsweise auch von Aktiengesellschaften und auch Genossenschaften kennt: zu hoher Einfluss von Geld, Tokenhalter haben Interessenkonflikte, Nicht alle Stakeholder werden in Entscheidungen einbezogen, Bequemlichkeit von kleineren Anteilseignern, Fehlende Accountability für die Konsequenzen von Entscheidungen, geheime Absprachen, Stimmenkauf.

Mit kryptographischen Methoden lassen sich viele Koordinierungstechniken abbilden, die diese Probleme adressieren, sich in der realen Welt aber schwer abbilden lassen: zB Systeme, die auf Reputation basieren, die „Skin in the Game“ erhöhen, die Mittel und Zweck trennen und über Prediction Markets die Zweckerreichung vor die Mittelwahl setzen etc.

Die Problemlösungsfähigkeit unserer Gesellschaft würde deutlich verbessert, wenn zusätzlich zu Markt und Staat, die Zivilgesellschaft und Commons eine größere Rolle einnehmen würden. Der Krypto-Sektor gehört zu den gegenwärtig größten und aktivsten Bereichen, in dem die dafür notwendigen Sozialtechniken weiterentwickelt werden.

2.3. Warum Krypto als Investition und nicht als Schneeballsystem bezeichnet werden sollte.

In einem denkwürdigen Interview mit dem TV-Sender CNBC im Jahr 2018 bezeichnete Warren Buffet, ein bekannter amerikanischer Investor die weltweit beliebteste Kryptowährung Bitcoin als „Rattengift hoch zwei“ und empfahl Anlegern, die Finger davon zu lassen. Bitcoin produziere nichts. Ähnlich wie bei Gold könne man nichts anderes damit machen als es früher oder später zurückzuverkaufen.

Diese Kritik springt zu kurz. Im Kern geht es bei der Werthaltigkeit der Kryptowährungen nicht um die Währungen an sich, sondern um die Werthaltigkeit ihrer Anwendungen, um den Wert des gesellschaftlichen Nutzens der Anwendungen.

Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum oder Solana etc. werden als Anreize für diejenigen geschaffen, die am Konsensmechanismus der jeweiligen Blockchain teilnehmen. Je größer das Netzwerk derjenigen ist, die teilnehmen, um so höher der Wert. Die Größe des Netzwerkes schließlich wird a la long darüber bestimmt, welchen Nutzen das Netzwerk in den Anwendungen sieht:

Der Nutzen von Bitcoin beispielsweise wird von vielen in der inflationssicheren langfristigen Wertaufbewahrung gesehen, die durch die algorithmisch festgelegte Mengenbegrenzung sichergestellt ist- als Alternative zu Gold, als „digitales Gold“.

Ethtereum stellt die Infrastruktur für einen Weltcomputer bereit, auf dem Anwendungen wie DeFi oder Web3 laufen können. Sollte diese Transformation tatsächlich im großen Stil stattfinden, hat Ethereum eine ungeheuer große Bedeutung und gesellschaftlichen Nutzen.

Die Solana Blockchain von Solana wiederum ist die bevorzugt Plattform für die zunehmende Popularität von NFTs.

Angesichts von tausenden von Kryptowährungen als Teil von Blochchains und auch als Tokens von Anwendungen, die auf den grundlegenden Blockchains laufen ist völlig klar, dass es auch Sackgassen geben wird und viele, vielleicht sogar die meisten Kryptowährungen und tokenisierten Anwendungen ihren Wert verlieren werden. Investitionen haben deshalb ein stark spekulatives Element. Ähnliches gab es immer wieder bei aufkommenden technologischen Umbrüchen, z.B. in der Frühphase des Internets.

Aber die positive Seite von Spekulation ist, dass die spekulativen Themen die Leute inspirieren und Geld und Menschen anziehen. Dabei kann keiner vorab absehen, welche Richtung sich als die richtige herausstellen wird. Unterm Strich ist ein spekulatives Element entscheidend für eine Marktökonomie, weil die Gesellschaft in ihrer Vielfalt über die Lenkung von Investitionen entscheidet, welche Ideen gewinnen und welche verlieren.

Damit sollen nicht die dunklen Seiten und Gefahren ausgeblendet werden:

Da ist zunächst das Problem, dass neue Versprechen Betrüger anzieht: Das berühmteste Krypto-Ponzi-Schema ist wahrscheinlich OneCoin – eine angebliche Kryptowährung, die nicht einmal eine Blockchain hinter sich hatte. Die Betrüger haben Anleger auf der ganzen Welt um über 4 Milliarden Dollar betrogen. Ruja Ignatova, die Hauptfigur hinter OneCoin, verschwand und wurde nie gefasst.

Ein weiteres großes Problem sind die hohen Wertschwankungen für Kleinanleger, die all ihr Erspartes, ihre Altersvorsorge verloren haben und nicht zuletzt die Gefahr, dass die kollektive Kehrseite von Spekulationen, das Platzen von Blasen schlimme Folgen für die breite Gesellschaft haben können und zB die Finanzstabilität insgesamt gefährden könnten.

Ohne Frage ist hier der Gesetzgeber gefragt, einen Rahmen zu schaffen um Anlegerschutz, Marktintegrität sowie Finanzstabilität zu gewährleisten:

  • Betrug muss unterbunden werden.
  • Kleinanleger sollten sehr deutlich mit einfachen Worten über ihre Investition aufgeklärt und vor allem auch gewarnt werden müssen: „Achtung, mit Kryptoinvestitionen kann es einen Totalverlust geben“. Investitionen in Krypto per se aber nur für die „Reichen“ zu erlauben ist ein Weg, der Chancengleichheit verbaut und dadurch die strukturelle Ungleichheit verstärkt.
  • Für eine Gefährdung der Finanzstabilität ist der Sektor trotz des rasanten Wachstums noch zu klein. In der Krise im 1. Halbjahr 2022 wurden auch keine nennenswerten Folgereaktionen beobachtet. Das heißt natürlich nicht, dass vorgesorgt werden muss. Beispielsweise ist der Fokus des jünsten Krypto-Rechtsrahmens MiCA auf Stablecoins sehr zu begrüßen: Stablecoins spielen für die neue Finanzwelt vermutlich die gleiche Rolle, die heute Bankguthaben spielen werden: Strenge Anforderungen an die Besicherung, Wertstabilität sowie jederzeitige Rückgabemöglichkeit sind absolut notwendig. Vermutlich wird die USA und andere Jurisdiktionen mit ähnlichen Stable-Coin Regulierungen nachziehen und das ist gut so.
2.4. Warum Krypto Chancen für den Ausbau erneuerbaren Energien eröffnet.

Der Energieaufwand für den Betrieb der beiden größten Blockchains Bitcoin und Ethereum ist ungeheuer groß. Der Gesamtverbrauch erreicht das Niveau von mittelgroßen Staaten (Siehe zB Daten zu Bitcoin der Universität Cambridge. Völlig zurecht stehen Kryptowährungen deshalb wegen ihres Energiehungers in der Kritik.

Der eigentlich wichtige Treiber für den Energieverbrauch ist aber nicht die dezentrale Blockchaintechnologie per se, sondern der Konsensmechanismus „Proof of Work“ (PoW). Dieser wird bei den beiden wichtigsten Kryptowährungen Bitcoin und Ethereum verwenden.

Beim PoW-basierten Mechanismus werden die neuen Blöcke von sogenannten ‚Minern’ hinzugefügt. Wer am schnellsten ein kompliziertes kryptographische Rätsel löst, darf den nächsten Block hinzufügen, sofern die anderen Miner die Richtigkeit der Lösung bestätigt haben. Das erfordert sehr viel Rechenleistung. Der oder die schnellste bekommt außerdem als Belohnung neu geschaffene Bitcoins oder den entsprechenden Kryptowert der Blockchain ausgezahlt.

So wird der ökonomische Anreiz für praktisch jedermann geschaffen, die Blockchain dezentral fortzuschreiben bzw. zu „minen“. Durch den Wettbewerb der Miner und die Zustimmungsbedingung wird gleichzeitig sichergestellt, dass die richtige Blockchain im Konsens fortgeschrieben wird. Je höher der Energieaufwand, um so sicherer das Netzwerk und um so unmöglicher ist es für einen Akteur mit Manipulationsabsichten die Blockchain zu attackieren.

Nicht zuletzt aufgrund des hohen Energieverbrauchs hat sich die Ethereum Community dafür entschieden, den Konsensmechanismus auf „Proof of Stake“ zu ändern. Die Migration fand am 15.9.2022 gegen 8:45 statt- nach jahrelanger Vorbereitungsarbeit. Dieser Mechanismus fällt von der Energiebilanz im Gegensatz zu „Proof of Work“ nicht nennenswert ins Gewicht. Das zeigt, dass die Umweltschädigung kein zwangsläufiges Feature von Blockchains, sondern ein technisch lösbares Problem ist.

Die Bitcoin Community aber will am PoW Mechanismus festhalten. Deshalb wird häufig ein Mining-oder sogar Vertriebsverbot für PoW basierte Blockchains gefordert. Ist das gerechtfertigt und zielführend?

Umwelt orientierte Bitcoiner und PoW Verfechter führen ins Feld, dass Miner helfen könnten, den Ausbau erneuerbarer Energien sogar zu beschleunigen. Sie könnten zum Beispiel an Orten mit Überschußenergie beispielsweise bei Wind- und Wasserkraft das bisher ungelöste Speicherproblem überbrücken, in dem sie Energie, die anderweitig ungenutzt verpufft, abkaufen und so den Ausbau an Orten ermöglichen und co-finanzieren, an denen bisher das Leitungsnetz nicht in der Lage ist, die Energie abzutransportieren. Darüber hinaus gibt es Gegenden beispielsweise in Norwegen, in denen mit Strom geheizt wird- auch hier würde eine Zusatzbelastung entfallen. Ein Mining-Verbot mit solchen Öffnungsklauseln wäre also eine bessere Lösung als ein Pauschalverbot.

Eine weiter Argumentationslinie der Bitcoin Community ist, dass sie die Frage nach dem gesellschaftlichen Wertbeitrag von allen Stromverbrauchern bzw. umweltschädigenden Aktivitäten stellt. Beispielsweise wird argumentiert, dass die Goldbranche eine ähnliche Funktion wie Bitcoin erfülle aber insgesamt für die Umwelt deutlich problematischer sei als Bitcoin. Ein anderes Beispiel ist das Thema digitales Streaming von Filmen und Videos, bei dem sich der Energieverbrauch zu Lasten der Umwelt zum Nutzen von wenigen Unternehmen vervielfacht hat. Wenn man anfängt mit Verboten, muss man sich die Frage gefallen lassen, nach welchen Kriterien genau wird entschieden, was die Bürger dürfen und was nicht. Umweltgerechte Preisen würden jedenfalls darauf eine Antwort geben für die leichter Konsens zu organisieren ist.

Bei einem Mining Verbot muss man auch beachten, dass Bitcoin ein globales Thema ist, bei dem es zu Ausweichreaktionen kommen kann. Nach dem Mining-Verbot in China ist das Mining im großen Stil nach Kasachstan abgewandert. Dort wurden z.T. alte Kohlekraftewerke reaktiviert.

Schließlich könnte eine technologische Lösungen sein, dass Transaktionen auf einen zweiten Layer verlagert werden, auf das sogenannte Lightning Netzwerk, dessen Energiebilanz nicht ins Gewicht fällt.

Unterm Strich bleibt der PoW Mechanismus ein großes Problem- der Status quo ist inakzeptabel. Die Erörterung oben zeigt aber, dass es bei gutem Willen von allen Seiten Win Win Lösungen gibt, die besser sind als ideologische Gräben und Maximalforderungen.

3. Der Gesetzgeber am Scheideweg.

Krypto ist weit mehr als das Auf- und Ab des Bitcoin Kurses, auf das sich die öffentliche Diskussion häufig verdichtet.

Krypto bietet sehr weitreichende Chancen an: Abbau von nationaler und globaler Ungleichheit, unter anderem durch die Demokratisierung von Eigentum und die Möglichkeit, dass alle Menschen weltweit zu gleichen Bedingungen am Finanzsystem teilnehmen können; Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts durch Stärkung von Peer-to Peer Zusammenarbeit und Commons; Überwindung der immer rigider werdenden Strukturen und der Sackgasse von Plattform- und Finanzkapitalismus. Öffentliche Blockchains schaffen Transparenz wo heute Intransparenz herrscht. Gleichzeitig ermöglicht Kryptographie mehr Privatheit und Selbstbestimmung und bietet eine echte Alternative zu der durch Digitalisierung und Daten-Fixierung zwangsläufig erscheinende Abrutschen in einen Überwachungsstaat.

Weltweit stehen die Regulatoren vor einem Scheideweg: In China wird Krypto weitgehend verboten, weil man den Weg in eine zentralistisch orchestrierte Totalüberwachung beschreiten will. Weltweite Regulierungsbehörden, z.B. die FATF (Financial Action Task Force) sowie IOSCO (International Organisation of Securities Comission) sehen in Krypto hauptsächlich ein Problem, keine Chance.

In Europa hat man sich bisher auf die sinnvolle und wenig kontroverse Regulierung von CeFi und Stablecoins konzentriert (zB. MiCA Markets in Crypto-Assets) und lässt sich DeFi im bestehenden Gesetzesrahmen entfalten. Allerdings soll in den kommenden Monaten diese Position überprüft werden.

In den USA gibt es eine Front zwischen Republikanern und Krypto-offenen jüngeren Demokraten einerseits und dem demokratischen Establishment sowie den Spitzen der Regulierungsbehörden andererseits.

Jüngst hat die Entscheidung des amerikanischen Finanzministeriums, das DeFi Protokoll Tornado-Cash unter OFAC (Office of Foreign Asset Control) Sanktionen zu stellen und die anschließende dadurch veranlasste Verhaftung des Softwareentwicklers durch die niederländische Polizei die Krypto-Community in helle Aufregung versetzt. Die holländischen Behörden haben es auch nach vielen Wochen nicht für nötig befunden die Vorwürfe gegenüber dem Entwickler zu konkretisieren. Softwareentwicklung ist in vielen Jurisdiktionen den Rechten freier Meinungsäußerung gleichgestellt. Kann das künftig im Gefängnis enden? Die amerikanischen Behörden haben die Community darüber hinaus im unklaren gelassen, wie weit diese Sanktionen greifen, ob beispielsweise Transaktionshistorien die mit diesem Protokoll in Berührung standen betroffen sind. Die Branche ist total verunsichert, weil viele vor die Wahl zwischen umfassender Zensur oder Geschäftsaus zu stehen. Der Chef der größten Kryptobörse Coinbase hat angekündigt, dass falls diese Entscheidung Konsequenzen für die Zensur von Ethereum Transaktionen haben sollte, sein Unternehmen sich aus dem Geschäft des Ethterum Minings zurückziehen würde.

Dezentrale Blockchains und DeFi etc und Regulierung sind in gewisser Weise ein Oxymeron, ein sich widersprechendes Begriffspaar. Regulierung setzt einen Ansprechpartner voraus, der für das Handeln verantwortlich gemacht werden kann, wenn etwas schief geht. Bei automatisiertem Code, der durchläuft geht das nicht. Das ist genau der Charme. Kein Einfluss von Spezialinteressen möglich. Der Gesetzgeber sollte diese Innovation nicht mit den Füßen treten, damit würden die enormen Zukunftschancen von Krypto von vorneherein marginalisiert.

Ein Mittelweg für die Regulierung von DeFi und Co. könnte sein, dass echte Dezentralisierung, d.h. open source code, dezentrale, möglicherweise über Ländergrenzen verteilte Governance und ein breites Soziales Netz, dass den Code nutzt und pflegt, der Weg zur Compliance ist. Reguliert werden die zentralen Akteure, damit deren Interessen sich nicht gegen das allgemeine Interesse richten können.

Dieser Mittelweg wird nur gelingen, wenn die Krypto-Community noch stärker Mehrwerte für die breite Gesellschaft entwickelt und die Öffentlichkeit offener und positiver über Krypto debattiert.

Schönen Gruß aus Berlin

Disclaimer: Der Autor behält sich vor, Änderungen oder Ergänzungen dieses Beitrags vorzunehmen.

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